23.08.2022

Die Nacht des Wassers

Moderation: Volker Angres

Wassernot – auf der Suche nach neuen Quellen

Sie bohren und bohren, und immer öfter kommt nichts dabei heraus: Viele deutsche Gemeinden haben zu wenig Trinkwasser. Deutsche Wasserwerke brauchen nach mehreren trockenen Jahren neue Quellen. Günther Westenhoff sucht seit Jahren für Bohrfirmen mit der Wünschelrute nach Wasserquellen. Er ist alarmiert: „Es wird immer trockener, man muss für Wasser immer tiefer bohren.“ Warum seine Rute reagiert, kann er selbst nicht erklären, zeigt aber, dass es funktioniert.

Um die Wasserrechte, also die Genehmigung, wer wie viel Wasser entnehmen darf, gibt es immer mehr Konflikte. In der bayrischen Gemeinde Bergtheim versucht der Bürgermeister zu vermitteln – zwischen den Verbrauchern und den Landwirten, die mehr Wasser für ihre Pflanzen benötigen. „In den heißen Monaten, wenn alle viel Wasser brauchen, geben unsere örtlichen Brunnen nicht mehr genug her für alle“, gibt Bürgermeister Konrad Schlier zu. Helfen soll eine Fernwasserleitung, doch die Kosten für die kilometerlange Pipeline müssen auf die Verbraucher umgelegt werden.

„Die Kunden sind wachgerüttelt“, meint Andreas Baur. Er hat ein Fachingenieurbüro in Hassfurt, berät bei der Wassersuche – und hat alle Hände voll zu tun. Viele Städte wollen sich auf weitere Trockenperioden vorbereiten und wollen neue Brunnen erschließen. „Es wird mehr Wasser verbraucht als früher – in der Industrie, in der Landwirtschaft, aber auch privat durch mehr Pools“, berichtet Baur. Zunächst werden bei der Wassersuche hydrogeologische Karten erstellt und die Grundwasserströme berechnet. Dann empfehlen die Geologen Standorte für Bohrungen.

In Norddeutschland gibt es nicht nur wegen des Klimawandels Probleme mit der Wassergewinnung. In weiten Teilen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens hat die Landwirtschaft obere Grundwasserschichten durch Spritzmittel sowie Nitrat aus Gülle und Gärresten unbrauchbar gemacht. „Wir müssen immer tiefer bohren, um zehn Jahre Aufschub zu erhalten, bis auch diese Schichten unbrauchbar werden“, malt Egon Harms vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband, OOWV, ein düsteres Bild. Obwohl sich die Bundesrepublik in einem Vertragsverletzungsverfahren der EU befinde, da die Nitrat-Grenzwerte in weiten Teilen des Landes seit 2014 nicht eingehalten werden, passiere viel zu wenig, um das Trinkwasser zu schützen, meint Egon Harms.

Zeitbombe im Trinkwasser

Die Zahlen sind dramatisch: Der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter wird in der Hälfte aller Messstellen in Deutschland nicht mehr eingehalten. Dabei kann der Stoff beim Menschen Krebs auslösen. Brüssel schlägt Alarm.

Sehr konsequent haben Pierre Ramnick und viele seiner Kollegen im fränkischen Greußenheim reagiert: Im örtlichen Brunnen des 1600-Einwohner-Dorfes war der Nitratwert zu hoch, der Ort sollte an die überregionale Wasserversorgung angeschlossen werden. Daraufhin haben sich die Bauern vor über 20 Jahren gemeinsam entschlossen, 70 Hektar ihrer Flächen für ein Wasserschutzgebiet zur Verfügung zu stellen. Auf dieser Fläche wird heute nichts mehr angebaut. Mit Erfolg: Der Nitratwert im Trinkwasser liegt heute bei 36 Milligramm pro Liter. „Nur so konnten wir unser Wasser schützen“, erzählt Ramnick, der seitdem seinen ganzen Betrieb radikal auf Bioanbau ohne Gülle umgestellt hat.

Thomas König in Friesoythe bei Oldenburg ist Schweinezüchter, besitzt einen Mastbetrieb und eine Biogasanlage. Er produziert mehr Gülle und Gärreste als er auf seinen Flächen ausbringen kann. Die Lösung für ihn: Die Fäkalien dorthin transportieren lassen, wo es weniger Tierhaltung gibt. Also kommen wöchentlich Tanklastzüge auf seinen Hof und bringen die tierischen Abfälle zu weit entfernten Bauernhöfen. „Die Gülle ist für andere Bauern ein kostenloser und guter Dünger“, meint er.

An der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Hochschule in Osnabrück beschäftigt sich Professor Hans-Werner Olfs seit Jahren mit dem Nitratproblem. Seine Empfehlung: zusätzliche Chemikalien, sogenannte Nitrifikationshemmer, in die Gülle geben, die ein zu rasches Versickern der Schadstoffe verhindern sollen. Doch das Verfahren ist umstritten: Wasserversorger fürchten, dass die chemischen Hilfsstoffe noch nicht genug erforscht sind und zu weiteren Umweltproblemen führen können.

Eine neue Düngeverordnung soll in diesem Sommer verabschiedet werden, um die permanente Überdüngung unserer Böden zu verhindern. Doch viele Interessenverbände mäkeln an den Entwürfen herum. Ob die endgültige Fassung später zur Lösung des Wasserproblems beitragen kann, ist ungewiss.

Derweil sind viele Wasserversorger alarmiert. Sie müssen inzwischen immer tiefer bohren, um an sauberes Wasser heranzukommen. „planet e.“ zeigt, wie solche Brunnen um bis zu 40 Meter tiefer gelegt werden. Für den Bereichsleiter Trinkwassergewinnung und Grundwasserschutz beim Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband, Egon Harms, eine dramatische Entwicklung: „Danach ist Schluss, darunter ist kein brauchbares Wasser mehr.“